7 Kriterien für den Vergleich von ERP-Systemen
14. Juni 2023
Lesezeit: 8 Min
Wer sich mit der Auswahl einer neuen ERP-Software beschäftigt, wird feststellen: Das Angebot ist groß und die einzelnen Lösungen können sich teils erheblich voneinander unterscheiden. Daher ist es von Bedeutung, ERP-Systeme fundiert gegenüberzustellen. Worauf kommt es dabei an? Dieser Artikel liefert einen Überblick und beschreibt die wichtigsten Vergleichskriterien für KMU.
Verschiedene Arten von ERP-Systemen
ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning-Systeme) können in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden:
- nach dem Lizenzmodell: Open Source vs. kommerziell (Closed Source)
- nach der fachlichen Ausrichtung: universelle ERP-Software vs. branchenspezifische Lösung
- nach dem Betriebsmodell: On-Premise-ERP vs. Cloud ERP
Lizenzmodell
Beginnen wir mit dem Lizenzmodell. Hier sind Open Source- und Closed Source-ERP-Systeme zu unterscheiden. Open Source bedeutet, dass der Quellcode öffentlich zugänglich ist. Somit kann er beliebig an individuelle Anforderungen angepasst werden. Häufig entstehen für Open Source ERP Software keine Lizenzgebühren, was die Anschaffung besonders günstig macht. Nachteile dieses Modells sind in der Regel fehlende Einführungsmethoden, eingeschränkte Nutzerzahlen, fehlender Support im Fehlerfall und das Nichtvorhandensein einer Roadmap für die zukünftige Entwicklung.
Das Gegenstück sind Closed Source-ERP-Systeme, welche gegen Zahlung von Lizenzgebühren (einmalig oder im Abo-Modell) genutzt werden können. Diese kommerzielle ERP-Software verursacht höhere Kosten und ist möglicherweise weniger flexibel. Sie bietet aber auch zahlreiche Vorteile wie einen geringen Anpassungsaufwand, technische Reife, kontinuierliche Updates und gute Konnektivität.
Fachliche Ausrichtung
Weiterhin können ERP-Lösungen anhand ihrer Fachrichtung unterschieden werden. Es existieren hier universell verwendbare ERP-Systeme, die für den branchenübergreifenden Einsatz konzipiert wurden. Standardprozesse werden von solchen Lösungen meist sehr gut abgedeckt, während für branchenspezifische Anforderungen entweder Add-ons oder Anpassungen notwendig sind. Weiterhin sind Branchen-Systeme besonders gut mit branchenüblicher Drittanbieter-Software (z. B. CAD) kompatibel.
Dem gegenüber gibt es ERP-Branchenlösungen, die exakt auf die Bedürfnisse eines bestimmten Wirtschaftszweigs zugeschnitten sind. Software dieser Art lässt sich schneller implementieren und verursacht einen geringeren Anpassungsaufwand. Zudem profitieren Unternehmen in diesem Fall von Best Practices und sind damit in der Lage, ihre Prozesse zu optimieren.
Betriebsmodell
Besonders wichtig bei der Auswahl einer Business-Software ist für Unternehmen heute zudem das Betriebsmodell. Hier sind grundsätzlich On-Premise-ERP- und Cloud-ERP-Lösungen zu unterscheiden. Eine On-Premise-Lösung ist die klassische Variante. Sie wird lokal auf den Servern des Anwender-Unternehmens installiert und betrieben. Für Themen wie Back-ups, Wartung, Updates und Sicherheit ist in diesem Fall das Unternehmen selbst verantwortlich. Der Vorteil ist bei dieser Variante vor allem die volle Kontrolle über die Daten. Weiterhin ist On-Premise-Software im Allgemeinen besser individualisierbar.
Im Gegensatz dazu wird ein Cloud ERP durch den ERP-Anbieter gehostet. Meist zahlen Unternehmen für diese "Software-as-a-Service" eine monatliche Gebühr. Diese deckt sodann alle Kosten für Betrieb, Wartung, Datensicherung, Security und regelmäßige Updates ab. Das Unternehmen muss sich um diese Tätigkeiten also nicht mehr selbst kümmern. Dies reduziert die finanziellen und personellen Aufwände im IT-Bereich. Auch die Anfangsinvestitionen fallen deutlich geringer aus, da nicht erst teure Server-Hardware angeschafft werden muss. Für kleine Unternehmen und mittelständische Unternehmen haben Cloud-ERP-Systeme die Einstiegshürden in professionelle Business-Software deutlich gesenkt. Somit haben cloud-basierte Lösungen dazu beigetragen, ERP in der Breite zugänglich zu machen. Der Nachteil einer ERP-Software aus der Cloud liegt insbesondere in der eingeschränkten Anpassungsfähigkeit. Insbesondere Unternehmen aus Nischenbranchen mit sehr spezifischen Geschäftsprozessen setzen daher oft weiterhin auf die klassische lokale Variante.
Funktionen und Module
Ein wichtiger Aspekt beim ERP-Vergleich ist natürlich auch der Funktionsumfang. Meist gliedern ERP-Anbieter ihre Software in verschiedene Module. Jeder dieser Funktionsbausteine deckt dabei einen anderen Bereich eines Unternehmens ab. Die Anzahl und Ausprägung der Module kann von ERP zu ERP variieren. Klassisch sind jedoch die folgenden Komponenten:
- Einkauf
- Lagerhaltung
- Produktion (bei ERP-Software für die Industrie)
- Vertrieb (teils inkl. CRM-Funktionen)
- Personalwesen (HR)
- Finanzwesen (Buchhaltung)
- Controlling (BI)
Einkauf
m Einkauf unterstützt eine ERP-Lösung klassische Geschäftsprozesse wie Lieferantenmanagement, Anfragen, Bestellanforderungen und Bestellungen. Oft lassen sich auch Rahmenverträge und entsprechende Abrufe abbilden. Moderne Software ermöglicht außerdem eine Vernetzung mit Lieferanten, um Daten digital auszutauschen.
Lagerhaltung
Ein weiteres klassisches ERP-Modul ist das Lagerwesen. Hier werden Prozesse wie Wareneingang, Umlagerungen, Kommissionierung und Warenausgang abgebildet. Auch ist dieser Baustein für Inventuren zuständig.
Produktion
Handelt es sich um ein Branchen-ERP für Fertigungsbetriebe, so bringt die Software in de Regel Funktionen für die Produktion mit. Im Detail sind dies meist die Fertigungsplanung, Fertigungsaufträge und die Fertigungssteuerung. Moderne ERP-Lösungen arbeiten in diesem Bereich mit übersichtlichen Boards, welche eine einfache Planung und Steuerung der Produktion ermöglichen. Teils sind auch die Betriebsdaten- und Maschinendatenerfassung (BDE und MDE) in dieses Modul integriert.
Vertrieb
Weiterhin verfügt Enterprise Resource Planning stets über ein Modul für den Vertrieb. Zuständig ist dieser Baustein für kundenbezogene Geschäftsprozesse wie Angebote, Aufträge, Versand und Rechnungsstellung. Immer mehr ERP-Anbieter integrieren hier auch Funktionen, die eigentlich aus CRM-Systemen (Customer-Relationship-Management) bekannt sind. Einige Beispiele sind das Kontaktmanagement, das Lead-Management oder auch die Automation kundenbezogener Workflows (z. B. automatischer E-Mail-Versand).
Personalwesen
Einige (jedoch nicht alle) ERP-Systeme verfügen über außerdem ein HR-Modul für die Personalabteilung. Klassische Funktionen sind hier Zeiterfassung, Personalverwaltung, Personalplanung sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnung.
Finanzen
Die meisten ERP-Systeme unterstützen auch die Buchhaltung - genauer gesagt die Hauptbuchhaltung, die Anlagenbuchhaltung und die Nebenbuchhaltung (Kreditoren und Debitoren). Ebenso ist das System für die Erstellung von Abschlüssen (Bilanz, Quartalsabschluss etc.) verantwortlich. Hier spielt es rechtlich und steuerlich eine besonders wichtige Rolle.
Controlling (BI)
Abgerundet wird ein ERP-System durch das Modul Controlling (bzw. Business Intelligence). Es bietet Unternehmen ein hohes Maß an Transparenz zu betriebswirtschaftlichen Fragestellungen. Dies beinhaltet beispielsweise Auswertungen und Reports zu Umsatz, Kosten und Deckungsbeiträgen sowie Produktionskennzahlen und Plan-Ist-Vergleiche. Mit diesen Informationen liefert die Software eine wichtige Grundlage für fundierte unternehmerische Entscheidungen.
Wichtig zu wissen: Gute ERP-Software ist in der Regel als All-in-one-Lösung konzipiert. Das heißt: Sämtliche Module arbeiten nahtlos zusammen und nutzen dieselbe Datenbasis. So können Prozesse abteilungsübergreifend abgebildet werden. Gleichzeitig haben sämtliche Mitarbeiter einen einheitlichen Informationsstand und müssen Daten nicht doppelt erfassen.
Skalierbarkeit und Flexibilität
Enterprise Resource Planning sollten nicht nur zu den aktuellen Anforderungen eines Unternehmens passen, sondern auch zu den zukünftigen Gegebenheiten. Um dies sicherzustellen, sollte das System zunächst mit dem Unternehmen mitwachsen können. Das heißt: Erhöht sich die Anzahl der Nutzer und Standorte oder auch das Volumen der Daten, sollte die ERP-Software problemlos an diese Veränderungen anpassbar sein. Die Rede ist in diesem Kontext meist von einer "guten Skalierbarkeit". Diese sollte übrigens auch im Umkehrfall gegeben sein: Ist das Geschäft rückläufig, so sollte das System auch in diese Richtung skaliert werden können. Tipp: Insbesondere ERP-Cloud-Lösungen sind bei der Skalierbarkeit im Vorteil, da zusätzliche Nutzer, Rechenleistung, Speicher oder auch Funktionen meist kurzfristig hinzugebucht und wieder storniert werden können.
Weiterhin ist die Flexibilität einer ERP-Software ein wichtiges Vergleichskriterium. Bedeutsam ist diese Eigenschaft, weil sich die Rahmenbedingungen und Kundenbedürfnisse heute in rasantem Tempo verändern. Unternehmen sollten daher in der Lage sein, ihre Geschäftsprozesse schnell anzupassen. Eine gute ERP-Lösung bietet hierfür verschiedene Möglichkeiten. Zu nennen sind insbesondere Customizing-Optionen, Zusatzmodule, Erweiterungen und Add-ons für spezifische Anforderungen. Ein wichtiger Aspekt sind jedoch auch Schnittstellen, um eine flexible und schnelle Vernetzung mit externen Partnern zu realisieren. Idealerweise veröffentlicht der ERP-Anbieter regelmäßig Updates, um auch neue technologische Entwicklungen kontinuierlich in seine Software einfließen zu lassen. Auch dieser Aspekt ist im Hinblick auf die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen von hoher Bedeutung.
Integration und Schnittstellen
Sowohl kleine Unternehmen als auch mittelständische Unternehmen verfügen in aller Regel nicht nur über ein ERP, sondern auch über eine Reihe von Drittsystemen. Diese sind schlicht erforderlich, da nicht alle Prozesse mit einem ERP-System abgebildet werden können. In Fertigungsunternehmen finden sich beispielsweise Lösungen wie CAD/CAM oder auch PIM-Systeme. Die Daten aus derartiger Software sollten möglichst problemlos mit dem ERP-System ausgetauscht werden können. Denn dies sorgt für reibungslose Abläufe, geringere Fehlerquoten und reduzierte manuelle Aufwände.
Wichtig sind Integrationen und Schnittstellen im Übrigen nicht nur intern. Auch über die Unternehmensgrenzen hinweg sollte ERP-Software entsprechende Möglichkeiten bieten. Einige Beispiele sind hier Schnittstellen zu E-Commerce-Plattformen und Online-Shops, zu Lieferanten, zu Kunden, zu Zahlungsdienstleistern oder auch zu Logistikpartnern.
Benutzerfreundlichkeit und Schulungsaufwand
Seinen vollen Nutzen entfaltet ERP nur dann, wenn es von den Anwendern gerne verwendet wird. Realisierbar ist diese Akzeptanz vor allem durch Benutzerfreundlichkeit. Wichtige Aspekte sind in diesem Kontext aufgeräumte, moderne Oberflächen, logisch aufgebaute Workflows und kontextbezogene Hilfestellungen. Je intuitiver die ERP-Lösung gestaltet ist, desto geringer fällt auch der Schulungsaufwand aus.
Kosten und Lizenzierung
Wer nach einer neuen ERP-Software sucht, sollte natürlich auch die Kosten vergleichen. Für eine solide Bewertung reicht es an dieser Stelle nicht aus, lediglich die Lizenzkosten zu bewerten. Ziel sollte es sein, die TCO (Total Cost of Ownership) zu ermitteln. Hierzu zählen neben den Anschaffungskosten auch die Betriebskosten.
Wichtige Anschaffungskosten sind:
- Software (Lizenzen)
- Hardware (insbesondere Server)
- Kosten für den Auswahlprozess
- Anpassungskosten (Customizing, Entwicklung)
- Einführungskosten (inkl. Projektmanagement, Migration, Schulungen etc.)
Hinzu kommen folgende Betriebskosten:
- Support (Hotline)
- IT-Infrastruktur
- Systemwartung
- Updates
- Personalkosten
- Kosten für externe Dienstleister
- Weiterentwicklung der Software
Wie eingangs erwähnt, nimmt vor allem das Betriebsmodell einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Kosten. Diese liegen bei On-Premise stärker im Anschaffungsbereich, beim Cloud-Modell schwerpunktmäßig im laufenden Betrieb.
Support und Kundendienst
Zu einem guten ERP gehört auch ein guter Service durch den Anbieter. Die Support-Hotline sollte in der eigenen Sprache zur Verfügung stehen, einen persönlichen Ansprechpartner bieten und schnelle Problemlösungen herbeiführen. Wichtig ist die Unterstützung durch den ERP-Anbieter übrigens nicht nur im laufenden Betrieb, sondern insbesondere in der "heißen Phase" nach dem Echtstart. Hier ist ein fest zugeordneter, umgehend erreichbarer Support-Mitarbeiter besonders hilfreich. Ferner kann hinterfragt werden, auf welchen Kanälen der Kundenservice zu erreichen ist. Neben Telefon und E-Mail etablieren sich in diesem Zusammenhang auch neue Kanäle wie Chat.
Fazit
Insgesamt ist der ERP-Software-Vergleich ein vielschichtiges Vorhaben. Um die beste ERP-Software für die eigenen Erfordernisse zu finden, müssen mehrere Kriterien betrachtet werden. Wichtig sind vor allem das Betriebsmodell, die Branchenausrichtung, der Funktionsumfang, die Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit, die Vernetzbarkeit, die Benutzerfreundlichkeit, die Kosten und der Kundendienst des Anbieters. Gute, langjährig bewährte ERP-Software für den Mittelstand kann darüber hinaus umfangreiche Referenzen und Erfolgsgeschichten vorweisen. Auch diese sollten Entscheider in ihrem Vergleich berücksichtigen.