Was ist ein ERP-Pflichtenheft?
21. März 2023
Lesezeit: 7 Min
Ein ERP-Pflichtenheft ist ein Dokument, in dem ein ERP-Anbieter beschreibt, wie er die Anforderungen seines Kunden technisch lösen möchte. Weiterhin regelt das Pflichtenheft mehrere Details zur Umsetzung des Projekts - darunter Leistungen, Meilensteine, Termine und das angestrebte Datum für den Go-live der neuen Software. Die Unterlage ist zudem die Basis für den Vertrag zwischen Auftraggeber (ERP-Kunde) und Auftragnehmer (Anbieter).
Was steht in einem ERP-Pflichtenheft?
Das Pflichtenheft für ein ERP-System kann sich von Projekt zu Projekt unterscheiden. Ein festgelegter Inhalt oder Umfang existiert nicht. Jeder ERP-Anbieter geht bei der Erstellung des Dokuments etwas anders vor. Grundsätzlich beschreibt das Pflichtenheft jedoch, wie der Anbieter die fachlichen und funktionalen Anforderungen aus dem ERP-Lastenheft des Auftraggebers aus technischer Sicht erfüllen möchte. Daher enthält die Unterlage im Allgemeinen oft folgende Informationen:
- Allgemeine Leistungen (zum Beispiel notwendige Anpassungen, Customizing)
- Sprachversionen der ERP-Software
- Notwendige Funktionalitäten und Module des ERP-Systems (zum Beispiel Materialwirtschaft, Vertrieb, CRM, Finanzwesen, Rechnungswesen, Controlling etc.)
- Geplante ERP-Workflows
- Konfiguration der Software
- Reports und Berichtsfunktionen
- Notwendige Datenbereinigungen im Vorfeld
- Datenmigration und Datenverwaltung
- Integration des ERP-Systems mit anderen Anwendungen und Systemen des Unternehmens (Schnittstellen)
- Anforderungen an Hardware, Netzwerk und Datenbanken
- Abnahmeprozedere
- Zeitplan
- Dokumentation und Support
Wer erstellt das ERP-Pflichtenheft?
Das Pflichtenheft für ein ERP-System erstellt immer der ERP-Anbieter (Auftragnehmer). Denn nur er weiß, wie er die Anforderungen eines Unternehmens mit seiner Software technisch umsetzen kann. Beim Erstellen des Pflichtenhefts nutzt der Software-Anbieter in aller Regel das Lastenheft, welches der Kunde in einer früheren Phase für die ERP-Auswahl aufgebaut hat.
Aufbau und Struktur des ERP-Pflichtenhefts
Wie bereits erwähnt, existieren keine starren Vorgaben für das Erstellen von Pflichtenheften. Ein exemplarischer Aufbau könnte jedoch folgende Kapitel enthalten:
- Zielbestimmungen
- Zukünftiges Einsatzumfeld der ERP-Software (Zielgruppen, Fachbereiche, Standorte etc.)
- Modulübersicht: Auflistung der geplanten Funktionsbausteine
- Funktionen: Erklärung jedes einzelnen Anwendungsfalls
- Leistungen: Anforderungen an die einzelnen Funktionen
- Qualitätsanforderungen
- Benutzeroberfläche (zum Beispiel Layout, Zugriffsrechte, Dialogstrukturen)
- Technisches Umfeld (notwendige Hardware- und Software-Installationen sowie Netzwerkbedingungen
- Testfälle
- Entwicklungszeit und Budgets
Zu beachten ist dabei stets, dass die Inhalte zum Vertragsbestandteil werden und daher rechtlich bindend sind. Bei der Abnahme der Unterlage sollte ein Unternehmen daher äußerst sorgfältig vorgehen und die Inhalte genau prüfen.
Vorteile eines ERP-Pflichtenhefts
Wer ein ERP-System einführt, sollte nicht auf ein Pflichtenheft verzichten, da es zahlreiche Vorteile bietet. Zunächst sorgt es für Klarheit und Transparenz. Es hilft allen Beteiligten dabei, ein gemeinsames Verständnis für die technische Umsetzung des Projekts zu entwickeln. Dies minimiert Missverständnisse und Konflikte in der Zusammenarbeit. Weiterhin wird eine bessere Planung von Terminen und notwendigen Ressourcen ermöglicht. Auch Engpässe und Risiken bei der ERP-Einführung lassen sich erkennen und somit vermeiden. Die klaren Definitionen im Pflichtenheft begünstigen außerdem eine zielgerichtete Implementierung und Konfiguration. Somit ist es möglich, die Bedürfnisse des Auftragnehmers zu erfüllen, ohne dabei unnötige Kosten zu generieren.
Auch die Einhaltung von Fristen ist durch die detaillierte Beschreibung des Projektverlaufs besser gewährleistet. Weiterhin wissen sowohl der Kunde als auch der ERP-Anbieter, zu welchem Zeitpunkt das Projekt bestimmte Meilensteine erreicht und wann es voraussichtlich abgeschlossen sein wird. Auch das Budget lässt sich mithilfe eines guten Pflichtenhefts überwachen. Denn jeder Zusatzwunsch verursacht naturgemäß zusätzliche Kosten. Mit den detaillierten Ausführungen sind diese Zusatzkosten bereits im Vorfeld gut zu überblicken. Der Auftragnehmer kann seine Aufwände also sicherer kalkulieren.
Zudem zeigt die Praxis, dass ein sauber erstelltes Pflichtenheft aufwendige Nachverhandlungen und Diskussionen minimiert. Denn sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer können sich auf die vereinbarten Inhalte stützen. Somit ist auch klar: Was nicht im Dokument steht, ist auch nicht im Lieferumfang enthalten. Sollten dennoch nachträgliche Wünsche entstehen, ist ein Folgeantrag notwendig. Allein diese Hürde verhindert oft ein unkontrolliertes Ausufern von Projektanforderungen in der Umsetzungsphase.
Unterschied zwischen ERP-Pflichtenheft und Lastenheft
Teils werden die Begriffe Pflichtenheft und Lastenheft im ERP-Umfeld als Synonyme verwendet. Dies ist jedoch falsch, da gravierende Unterschiede zwischen den beiden Dokumenten bestehen. Dies beginnt bereits bei der Verantwortlichkeit. So wird ein ERP-Lastenheft stets vom zukünftigen Anwender-Unternehmen der Software erstellt. Eventuell unterstützt hierbei ein unabhängiger ERP-Berater. Für die Erstellung des Pflichtenhefts ist hingegen immer der ERP-Anbieter zuständig. Auch beim Zeitpunkt der Erstellung gibt es Unterschiede: Das Lastenheft entsteht bereits in einer sehr frühen Phase eines ERP-Projekts. Es unterstützt hier die Auswahl der neuen ERP-Software und die Kommunikation mit potenziell geeigneten Anbietern. Das Pflichtenheft kommt dagegen erst ins Spiel, wenn die Entscheidung für ein neues ERP-System bereits gefallen ist und die konkrete Projekt-Umsetzung bevorsteht.
Große Unterschiede existieren außerdem beim Inhalt der beiden Dokumente. So beinhaltet das ERP-Lastenheft die fachlichen Anforderungen eines Unternehmens. Meist ist die Unterlage prozessorientiert aufgebaut. Sie beinhaltet also die gewünschten Soll-Prozesse aller Fachbereiche des Anwender-Unternehmens und die sich daraus ergebenden funktionalen Wünsche an die zukünftige ERP-Software. WIE die Anforderungen umgesetzt werden, beantwortet das ERP-Lastenheft hingegen nicht. Oft ist daher auch von einer lösungsneutralen Formulierung die Rede.
Das WIE und WOMIT zu beschreiben, ist stets die Aufgabe des ERP-Software-Lieferanten. Wie bereits erwähnt, geschieht dies durch das Erstellen des Pflichtenhefts. Dieses wird (teils gemeinsam mit dem ERP-Lastenheft) in der Regel zur vertraglichen Grundlage für das Projekt. Es regelt genau, wie das zukünftige System mit all seinen technischen Strukturen aufzubauen ist. Somit ist es auch hilfreich bei der späteren Abnahme, da es einen genauen Vergleich zwischen den ursprünglichen Anforderungen und den tatsächlich erbrachten Leistungen ermöglicht.
Das ERP-Pflichtenheft als wichtige Grundlage bei der ERP-Auswahl
Während das Lastenheft die ERP-Software-Auswahl vereinfacht, kann des Pflichtenheft die Risiken in einem ERP-Projekt deutlich minimieren. Es dient nicht nur dazu, die Anforderungen aus dem Lastenheft zu erfüllen. Es ermöglicht auch eine bestmögliche Umsetzungsplanung, sodass am Ende keine bösen Überraschungen auftreten. Außerdem ist das Dokument unerlässlich, um das implementierte System zu validieren und rechtliche Sicherheit für beide Vertragsparteien zu schaffen. In Summe sollte also kein Unternehmen, das eine neue Enterprise-Resource-Planning-Software einführen möchte, auf die Unterlage verzichten.